Pandemie und Politik

Zur Frage von Demonstrationen und Covid-19

Seit wir als Gesellschaft mit dieser Pandemie konfrontiert wurden, hat sich auch bald zeigt, was sie von uns fordert und wie viele von uns diesen Forderungen nachkommen. Um diese Pandemie bestmöglich überstehen zu können, braucht es von uns vor allem viel Solidarität. Konkret heißt das, um sich und andere nicht unnötig zu gefährden, bleibt mensch fern von anderen Menschen. Viele taten genau das nicht.

Um uns nicht auf eine Stufe mit all jenen, welche komplett rücksichtslos durch diese Zeit gehen, zu stellen und um unseren Anspruch an eine Solidargemeinschaft aufrecht zu erhalten, sollten wir uns alle fragen, ob es wirklich notwendig ist, jede Demo und Kundgebung, die stattfindet, auch zu besuchen. Denn wennn wir ehrlich mit uns selbst sind, müssten wir eigentlich einsehen, dass trotz Hygienekonzepts die Situation auf Massenveranstaltungen häufig zu unsicher und unkoordiniert ist, als dass die Einhaltung solcher Konzepte möglich wäre. Dazu sei erwähnt, dass selbst das bestüberlegte Hygienekonzept mit der größten Bereitschaft, dies einzuhalten, eine Infektion nicht ausschließen kann. Desweiteren macht mensch sich durch eine Teilnahme an Demos u.Ä. auch leichter angreifbar für Repressionen, als es vor der Pandemie noch der Fall war. Das zeigt sich vor allem darin, dass Versammlungen viel leichter aufgelöst werden können und der Staat noch eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz stellen kann. Trotz dieser Bedingungen werden weiterhin Massenveranstaltungen im großen Stil besucht, ohne dass nach Ausweichmöglichkeiten Ausschau gehalten wird. Damit ist nicht gemeint, dass mensch in diesen Zeiten komplett auf jede Teilhabe an der lebensphilosophischen Realitätsgestaltung verzichten solle. Auch soll dieser Text nicht dazu anregen, Demonstrationen zu meiden. Vielmehr soll im Folgenden aufgezeigt werden, dass unsere Aktionsmöglichkeiten vielfältig und breit gefächert sind und dass eine größere Verteilung auf unterschiedliche Aktionsformen erstrebenswerter ist als ein alleiniger Fokus auf Demos.

Die Tatsache, dass auch während der Pandemie hauptsächlich zu Demonstrationen mobilisiert wird, zeugt von einer gewissen Inflexibilität in der Szene, wo uns doch gerade jetzt, da der Staat Verordnungen nicht einmal ansatzweise demokratisch beschließt, klar sein sollte, dass wir keinen Einfluss auf unsere Lebensrealität im Parlamentarismus haben, wenn wir weiterhin nur symbolische und rechtlich tolerierte Aktionen praktizieren. Eigentlich sollte uns klar sein, dass Demonstrationen vor allem deshalb staatlich toleriert sind, weil sie eine sehr geringe Chance haben, direkt und unverzüglich etwas zu ändern. Ihr Wert beruht maßgeblich in der Symbolik. Doch ist es uns wert für Symbolik die Ausbreitung einer potentiell tödlichen Krankheit voranzutreiben?

Schon zu lange lässt es sich bedauerlicherweise beobachten, dass die Szene zunehmend in die Legalität abrutscht. Dieser Prozess an sich ist schon sehr kritisch zu betrachten, im Kontext der aktuellen Situation jedoch ist er äußerst bedenklich. Will mensch wirklich weiterhin nur so agieren, wie es das System erlaubt, auch wenn Leben dabei auf dem Spiel stehen?

Im Angesicht dessen, dass gerade auch polizeiliche Autorität in den Corona-Verordnungen eine starke Existenz- und Auslebungsbegründung gefunden hat, muss die Subversität dem entgegengehalten werden. Wir müssen zwar darauf achten, dass unsere Kämpfe nicht in den Schatten der Pandemie gedrängt werden. Jedoch lässt sich gesellschaftliche Aufmerksamkeit nicht nur durch eine möglichst hohe Personenzahl generieren. Sabotage und direkter Angriff auf die Staats- und Wirtschaftsordnung erzeugt ebenso viel – wenn nicht manchmal mehr – Aufmerksamkeit. Ebensolche direkten Aktionen erwecken bei der Ausübung nicht das Bild, mensch könne nur öffentlich und konform agieren, sondern zeigen, dass wir nicht nur Bitten und Forderungen stellen, sondern die Geschehnisse der Welt selbst in die Hand nehmen. Dafür muss es nicht einmal nur der Angriff sein. Aktionen wir Nachbarschaftshilfe und -vernetzung, Foodsharing und selbstorganisierte Medizin- und Lebensmittelbeschaffung, sowie deren Verteilung setzen ein genauso sichtbares Zeichen wie brennende Polizeiautos im Dunkel der Nacht. Diese Solidarmaßnahmen, sowie auch der offensive Kampf gegen bestehende Autoritätssysteme lassen sich alle dezentral organisieren und ausführen. Deshalb sei erwähnt, dass derartige Aktionen eine wesentlich geringere Personenzahl erfordern. Somit verringert Dezentralität nicht nur das Risiko, Repression zu erfahren. Wenn diese dezentrale Organisierung dann auch noch auf die Insurrektion (Aufhebung, aufständische Umwälzung) der Herrschaftsverhältnisse aus ist, wird sie deutlich effektiver sein, als eine aufmerksamkeitsbezogene Symbolik. Außerdem lassen sich direkte Aktionen im kleinen Rahmen wesentlich konstanter und in erhöhter Regelmäßigkeit durchführen, da sie keinen langen Mobilisierungsaufwand benötigen. Zum Beispiel ziviler Ungehorsam kann auch von Individuen ohne viele Mitteilnehmende oder Organisation verübt werden. Auch Demos sind nicht a priori ein Ding der Unmöglichkeit. Nur sollten sie wohlüberlegt und im besten Falle klein, laut und sehr aktiv vollzogen werden.

Dies sind besondere Zeiten, das lässt sich nicht abstreiten. Doch wir dürfen uns nicht in Ohnmacht fliehen, unsere Kämpfe komplett niederlegen oder nur dasselbe wie immer praktizieren. Es findet täglich ein neuer Umbruch statt und wir müssen dieses Momentum nutzen, spontan und kreativ werden. Inspiration lässt sich überall finden. Auch schon früher lösten sich Nazi-, Bonzen- und Bullenkarren in Rauch auf, selbstorganisierte Hilfe und Attacke auf allen Ebenen sind keine neuen Konzepte. Mensch muss nur offen für Inspiration sein.

Lasst uns den ganzen Facettenreichtum unseres Handlungssprektrums erkennen und unser volles Potential ausnutzen!

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