Contra Zero-Covid

Wir alle erfahren derzeit massive Einschränkungen unserer sogenannten „Freiheiten“. Unter der Begründung sich um unser aller Sicherheit zu sorgen werden uns die Möglichkeiten zur Gestaltung unserer Leben Stück für Stück entzogen. „Arbeiten, Fressen, Schlafen“ lautet die Moral der jetzigen Zeit, welche die Regierungen dieser Welt uns aufzwingen wollen. Uns ist klar: Die Pandemie ist Real und gefährdet uns alle, doch angesichts solcher totalitären Entwicklungen sollte doch zu erwarten sein, dass die vermeintlich progressiven Stimmen laut und empört werden und die Deutungshoheit über Freiheit nicht den faschistoiden Querdenker*innen überlassen.

Und doch sehen wir ein neues Schreckgespenst innerhalb der selbsternannten emanzipatorischen Kräfte aufkommen: Die Zero-Covid Kampagne.

Sie bewirbt sich selbst als so vielversprechend: „Das Ziel darf nicht in 200, 50 oder 25 Neuinfektionen bestehen – es muss Null sein.“ Wer würde das nicht wollen? Absolut gar keine Neuinfektionen mehr- es klingt fast schon zu schön, um wahr zu sein. Kein Wunder also, dass bei solchen Hoffnungsbekundungen sowie der Forderung nach einem „Solidarischem Lockdown“ die politischen Linken darauf anspringen. Was den „Solidarischen“ Teil der Forderungen von Zero-Covid angeht wird sich natürlich nicht zurückgehalten: Die Maßnahmen in Betrieben sollen von Beschäftigten selbst gestaltet werden, Menschen in sozioökonomisch prekären Situationen soll alle benötigte Hilfe zuteilwerden, Personalanzahl sowie die Löhne im Gesundheitswesen sollen erhöht werden, Impfstoffe werden kollektiviert statt kommerzialisiert und das alles wird natürlich von den Reichen gezahlt.

Wenn man diese Forderungen so isoliert hört klingen sie ja absolut unterstützenswert, auch aus unserer Perspektive. Doch diese Art von Kampagne verkennt einen grundsätzlichen Fehler in den solidarischen Forderungen und ihrem Adressaten, dem Staat. Diese Forderungen ließen sich nämlich nur umsetzten, wenn man auf jegliche Kapitalinteressen verzichtet und auf ein wirkliches Solidarprinzip baut. Der Staat hegt jedoch immer inhärente Kapital- und Profitinteressen. Es liegt im Wesen des Staates Macht in Geld zu konzentrieren. Deshalb ist es mehr als nur Vermessen den Staat um etwas zu bitten, was seinen eigenen Grundprinzipien widerspricht.

Und dann bleibt noch die Frage, zu welchem Preis dieser so hochgepriesene Wandel unserer Gesellschaft im Umgang mit der Pandemie kommt. Es wird nur von einem „schnellen und gleichzeitigen Handeln“ gesprochen. Doch was soll das konkret bedeuten? Uns ist die Antwort eigentlich klar: Ausgangssperren, Versammlungsverbote sowie keinerlei Kontakt- und Bewegungsfreiheit. Umgesetzt werden können solche harten Maßnahmen nur mit einer Zentralisierung und Totalisierung der Staatsmacht welche alle Menschen unter Androhung drakonischer Strafen dazu zwingt gefälligst zu parieren. Es spielt keine Rolle, ob der Staat diese Macht über uns aus angeblich „guten“ Gründen erhält die nur die „Sicherheit“ aller gewährleisten sollen. Denn auch im Kontext dieser Pandemie bleibt es dabei: Freiheit stirbt mit angeblicher Sicherheit. Dieses vage herbeiwünschen gewisser Änderungen mit versteckten, fatalen Konsequenzen fällt dann aber auch wieder zurück auf die Solidarmaßnahmen.

Denn hier bleiben ebenfalls viele Fragen offen. Wie sollen z.B. Obdachlose zuhause bleiben? Wer entscheidet, welche Berufe doch Systemrelevant sind? Und vor allem: Wer genau soll das alles Zahlen? Natürlich muss man nicht immer alles wissen und genauestens erläutern können. Jedoch ist es nun einmal so, dass die Zero-Covid Kampagne sich in einem legalem, staatlichem und kapitalistischem Rahmen bewegt, dadurch, dass sie die Reichen und Mächtigen um etwas bittet. Und wer sich schon auf diese traurige Ebene herablässt, von dem sollte man auch erwarten können nach ihren Spielregeln zu bitten und zu betteln. Wir jedoch wollen eine wirklich solidarische Selbstverantwortung nach dem Prinzip der freiwilligen gegenseitigen Hilfe anstatt einer Bevormundung durch den Staat in deren Zuge wir alle in noch engere Ketten gelegt werden.

Natürlich müssen wir uns eingestehen, dass es die meisten freiheitlich, solidarisch und progressiv orientierten Kräfte es nicht geschafft haben Anschluss an die Debatte, um den Umgang mit Covid-19 zu finden. Zu lange haben wir uns in unserer eigenen Szene-Blase aufgehalten und dem Staat dabei zugeschaut, wie er uns zunehmend einschränkt. Zusätzlich haben wir es zugelassen, dass die Verbreiter*innen von antisemitischen Verschwörungsideologien den vermeintlichen Kampf gegen staatliche Autorität für sich beanspruchen konnten. Doch wie tief sind wir als systemkritische Bewegung bitte gesunken, wenn der Schluss, den viele aus unserem Versagen gezogen haben die Zero-Covid Kampagne ist? Dem Staat noch mehr Machtgeständnisse zusprechen? Auf noch mehr Freiheit verzichten? Keinerlei Verantwortung mehr Tragen und unsere Schicksale in die Hände von Bürokraten, Behörden und Bullen legen? Ernsthaft? 

Nein, das kann und wird nicht die Antwort sein, zumindest nicht die von Menschen, die sich Freiheitlich nennen und sich selbst noch ernst nehmen wollen. Bei vielen Teilen der Linken ist es uns schon klar, dass sie kein Problem mit Autoritäten haben. Wer Parteien wählt, kommunistische Diktaturen Schön redet oder sich selbst in gesichtslosen Massenorganisationen aufgibt, der*die wird auch reinen Gewissens diese Petition unterzeichnen können. Doch für uns ist das keine Lösung. Denn keine Petition kann und wird uns jemals retten oder auch nur irgendetwas signifikant verändern. Der Staat und das mit ihm verbundene Kapital haben immer eigene Interessen, die mehr wiegen als das Leben aller Menschen welche gezwungen sind in diesem Rahmen zu leben. Bei Petitionen gilt das gleiche wie bei Wahlen: Wenn sie etwas verändern könnten, wären sie nicht erlaubt. Wir müssen anfangen unsere Geschicke selbst in die Hand zu nehmen und nicht Verantwortung an irgendetwas abgeben, was unsere Bedürfnisse verdinglicht und uns angeblich repräsentiert. Veränderung können nur wir selbst schaffen, ganz direkt und unmittelbar. Die Pandemie lässt sich auch Abseits von staatlicher Vollmacht bewältigen. Lokale Vernetzung zur gegenseitigen Hilfe. Eigenverantwortliche Rücksichtnahme und das Selbstbewusstsein, sich einfach nehmen zu können, was man braucht sind erste Schritte in eine richtige Richtung. Freiheit und Solidarität sind für uns gleichermaßen wichtig und wir werden sicher nicht, nur weil es einem augenscheinlich „richtigem“ Zweck dient eins gegen das andere eintauschen.

Gegen jede Autorität- egal wie gerechtfertigt sie sich gibt.

 

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