Für den 30.04.2022 rufen wir zu einer Vorabenddemo zum 1. Mai unter dem Motto „Mit dem Bestehenden brechen! Für ein Leben ohne Lohnarbeit und Patriarchat!“ auf.
Der 1. Mai wurde in den letzten Jahrhunderten von so vielen unterschiedlichen Systemen unterschiedlich Interpretiert. Für den deutschen Faschismus war er ein angeblicher „nationaler Feiertag des Deutschen Volkes“. Im autoritären Staatskommunismus der DDR hieß der 1. Mai, dass man an staatlich inszenierten Demonstrationen teilnehmen musste und gefeiert wurde, dass die ausbeuterischen Verhältnisse anscheinend besiegt wären. Heute hat der Tag kaum noch eine Bedeutung, abseits von ein paar von der Stadt veranstalteten Straßenfesten mit massig sinnlosem (Alkohol-)Konsum. Die Gewerkschaften laufen mittags durch die Straßen und hätten gerne ein paar Euro mehr die Stunde, ein paar Parteien sind auch unterwegs, eifrig auf der Suche nach neuen Stimmen für die nächste Wahl und abends sieht man dann noch manchmal ein paar Vermummte, die von Revolution reden, während sie von einem massiven Polizeiaufgebot inklusive Wasserwerfern und Helikoptern nach ein paar hundert Metern verprügelt werden.
Die meisten Menschen bekommen jedoch von diesem Spektakel nichts mit. Sie sitzen auf der Couch, am Strand oder im Park und versuchen sich für diesen einen Tag vom Stress der Arbeitswoche zu erholen. Denn sie alle leiden unter dem, was am 1. Mai gefeiert wird: Die Arbeit. Diese Arbeit, die uns 40 oder mehr Stunden unserer Woche raubt, die uns jeden Morgen wider Willens aus dem Bett zwingt und uns weißmachen will, wir bräuchten sie. Diese Arbeit ist kein Grund zu feiern. Was all die genannten Interpretationen des 1. Mai gemeinsam haben ist, dass sie nie im Ansatz versucht haben den Umstand zu ändern, dass wir jeden Tag auf‘s Neue zur Arbeit müssen. Jedes System und jede Ideologie baut im Grunde darauf, dass die Mehrheit der Bevölkerung stillschweigend zur Arbeit geht um das System, das sie ausbeutet am Laufen zu halten. Dieser Grundzug der Arbeit, dass die meisten von uns niemals das verdienen, was ihre Leistung wert wäre, dass am Ende der 8-Stunden-Schicht nur die Person gewinnt, die eine Stufe höher sitzt in der Hierarchie und dass wir arbeiten müssen um nicht abzusteigen im ewigen Wettlauf dieses Lebens. All diese Umstände haben sich nie geändert und werden es auch nicht. Nicht durch 12,- Mindestlohn, nicht durch „flexible“ Arbeitszeiten, nicht durch „flache Hierarchien“. Der 1. Mai ist für uns ein Tag, an dem wir all die ausgehölten alljährlichen Rituale verweigern und uns wehren. Wir wehren uns gegen die 40 Stunden, die uns jede Woche geklaut werden und im Angesicht der Inflation eh nichts mehr wert sind; gegen das Arbeitsamt, das uns jeden Tag, an dem wir uns weigern uns zu verkaufen, zur Hölle machen will; gegen das beklemmende Gefühl am Ende des Monats, wenn die Taschen leer sind; gegen unsere Chef*innen, die sich als unsere Freund*innen darstellen wollen, uns aber doch nach drei unentschuldigten Fehltagen kündigen.
An diesem Tag stehen wir ganz im Zeichen der wütenden Arbeiter*innen vor 150 Jahren und wehren uns gegen das System der Arbeit selbst. Es ist weiterhin ein Tag für all jene, die mit Wut im Bauch durch das Leben laufen und keinen Bock mehr haben, unterdrückt zu werden. Für sie und für uns ist es ein Tag, diese Wut auf die Straße zu tragen. Wir wollen diese Wut all jede spüren lassen, die für unser Elend verantwortlich sind: Die Politik, die uns in diesem System halten will; den Staat, der mit harter Hand durchgreift, wenn wir uns ihm verweigern und dem Kapitalismus, der uns durch Erpressung mittels Armut weiterhin im Hamsterrad der Arbeit laufen lässt.