Rückblick und Gedanken zum 1. Mai (Hamburg)

Der 1. Mai ist vorbei und war bezogen auf Hamburg eine Niederlage. Dies soll kein Vorwurf an irgendjemanden sein, doch finden wir es wichtig, Dinge, die passiert sind auch klar zu benennen, um aus ihnen lernen zu können. Besonders machen wir nicht unseren Gefährt*innen vor Ort dies zum Vorwurf. Lange wurde versucht, die Demonstration irgendwie ins Laufen zu bekommen, doch schon früh stellte sich im Block das Gefühl ein, hier werden wir heute keinen Schritt laufen.

Schon kurz nach Aufstellung der Demo war der Block vor dem Lautsprecherwagen mit etwas Abstand komplett mit Bullen umstellt. Anmelder*innen, Demorat und solidarische Anwält*innen versuchten über ca. 3 Stunden ein losgehen des Zuges zu ermöglichen. Doch je länger es ging, desto absurder wurden die Forderungen der Bullen. Erst waren Vermummungen das Problem, dann einzelne Transparente und dann wieder Vermummungen. Wir sehen es auch anders als andere, dass ein anderes Auftreten hier für Entspannung gesorgt bzw. man die Demo hätte dann durchführen können. Denn auch der revolutionäre 1. Mai hat laut eigenen Aussagen mit Schikanen durch die Bullen zu kämpfen gehabt, obwohl diese ganz anders aufgetreten sind. Wir vermuten, dass die Bullen einfach nicht zwei Demonstrationen, die sie als „problematisch“ einstuften, gleichzeitig in der Stadt bewegt haben wollten. Kritisch finden wir auch, dass sich Menschen, die sich doch als Gefährt*innen verstehen, nun sagen, wir hätten nicht in schwarz auftreten sollen. Diese (Teil-)Schuldzuweisung verkennt völlig, wer am 1. Mai die Situation eskaliert und Menschen in Gefahr gebracht hat, sowhl auf der Kundgebung als auch später am Schlump: Die Polizei, deren „Grund“ sicher nichts mit den Outfits der Teilnermer*innen zu tun hatte.

Eher bleibt die Frage, ob und wie wir Demos überhaupt noch anmelden sollten, wenn wir uns immer weiter vorschreiben lassen, wie und was wir zu tun haben. Welchen Wert hat eine solche Demo am 1. Mai, dem angeblichen Kampftag dann? Kämpferisch ist eine Demo, die sich allem beugt, was der Staat sagt, sicher nicht.

Als nun klar war, dass wir hier heute keinen Meter werden laufen können, versuchte der Block ruhig nach hinten abzufließen. Dies veranlasste die Bullen, eine wahllose Menge an Personen einzukesseln. Dieser Kessel hielt eine Weile, bis die Bullen die Menschen erst in Kleingruppen und dann den Rest in einem Schwung herausließen. Auf uns wirkte das Verhalten wie der Versuch eine Konfrontation zu provozieren, anders können wir uns die Strategie nicht erklären.

Doch in dieser beschissenen Situation blieben alle trotzdem ruhig, bildeten Ketten und sorgten so dafür, dass nach unserem Kenntnisstand bis hierher niemand ernsthaft verletzt oder festgenommen wurde. (Sollte dies doch so sein, gilt diesen natürlich unsere volle Solidarität.)

Beim Versuch in die Bahn zu steigen wollten die Bullen auch noch mitfahren und quetschten sich mit rein und hinderten die Bahn lange daran abzufahren. Am Bahnhof Schlump warteten noch mehr Bullen, welche dann auch mindestens eine Person schwer verletzten. Wir wünschen schnelle Genesung und sind solidarisch an deiner Seite!

Wir wollen am Ende einmal danke sagen. Danke an die Gefährt*innen der Anmeldung, des Demorats und der Anwält*innen, dass ihr alles versucht habt die Demo zum Laufen zu bringen. Danke Gefährt*innen, die mit uns im Block ausgeharrt haben und sich trotz aller Schikane nicht haben provozieren lassen. Nur weil ihr ruhig geblieben seit, ist an dieser Stelle nichts Schlimmeres passiert. Auch wenn jetzt irgendwelche Klugscheißer*innen auf irgendwelchen Plattformen sich das Maul zerreißen und Sprüche bringen. An dieser Stelle war kein Blumentopf zu gewinnen. Ebenso unnötige Sprüche von „die deutsche linke“ bringen uns nicht weiter. Es muss reflektiert werden und Kritik ist wichtig und notwendig, jedoch sollte sie nicht in überheblichen Sprüchen auf Social-Media stattfinden, um ein paar Likes zu generieren.

Wir zitieren hierzu einmal aus unserem eigenen Redebeitrag von der Demo, den ihr unten auch komplett lesen könnt: „Der Widerstand gegen diese Welt der Herrschaft wird kein Spaß, er wird nicht sicher und nicht schön sein. Wir werden immer wieder verlieren, aber daraus gilt es zu lernen und es wieder zu versuchen und beim nächsten Mal besser zu verlieren.“

Zum Abschluss: Dieser 1. Mai war nichts. Sei es drum. Er ist ein Tag von 365 im Jahr, an denen wir kämpfen und Widerstand leisten können. Und im nächsten Jahr gibt es wieder einen. Vielleicht schaffen es ja die ganzen »klugen« Leute von z.B. Twitter es zu den Vorbereitungskreisen und auf die Straße um zu zeigen und zu erklären wie es besser geht. Das mag jetzt überheblich klingen, aber es ist ernst gemeint. Wir brauchen weniger Ticker, Möchtegern-Foto-Journalist*innen und selbstdarstellerische Privataccounts, die alles scheinbar besser, schneller, höher und größer können.

Solidarische Grüße gehen raus an alle Verletzten und Betroffenen von Polizeigewalt. Ihr seid nicht allein!

Der 1. Mai ist vorbei, aber der Kampf noch lange nicht.

Es lebe die Anarchie!

REDEBEITRAG VON DER ANARCHISTISCHEN 1. MAI DEMONSTRATIONEN

Es ist der 1. Mai und wieder werden Gewerkschaften, Parteien und andere autoritäre Strukturen ihr übliches Spektakel abfeuern. Dieses wird weder etwas Neues, noch Raum zum Träumen und sicher kein besseres morgen für uns Ausgebeuteten dieser Welt bieten. Sie alle sind angetreten, die Macht im Staat zu übernehmen. Sei es über Wahlen oder durch eine ominöse Gegenmacht. Man will uns glauben machen, wir bräuchten sie, um voranzugehen und uns wilden Haufen zu organisieren. Von außen drücken Sie uns ihr Bild von uns allen auf. Die einzige wahrste Wahrheit haben nur sie in der Schublade und wir müssen ihnen nur folgen, dann können auch wir in den Garten Eden kommen. Heilsversprechen, wo man nur hinsieht. Doch am Ende geht es immer nur um Macht. Macht über unsere Leben. Ob wir Arbeiten oder Freizeit haben, ob wir wach sind oder schlafen. Organisieren, organisieren, organisieren. Als wäre hierzulande unsere Leben nicht schon genug von Organisiertheit durchzogen. Na ja, was man hier so leben nennt. Ein Leben auf Kredit und auf Rezept.


Denn jeden Morgen jagt der Wecker uns die Angst durch die Knochen. Nur nicht zu spät kommen, bloß nichts verpassen und immer weiter dreht sich das Hamsterrad. Von einem Termin zum nächsten eilen wir und sehen, wie in einem Film unser Leben an uns vorüberziehen. Selbst wenn der Körper schon vor Erschöpfung schreit und das Gehirn sich versucht abzuschirmen, um nicht mehr wahrzunehmen, was wir uns antun, wird weiter gemacht. Ab zur Apotheke und den nächsten Schuss gesetzt. Es braucht keine Drogen mehr, um eine außerkörperliche Erfahrung zu machen, wir haben uns sowieso schon komplett von uns selbst entfremdet. Die Arbeit macht uns kaputt. Zeit, das Konstrukt Arbeit zu zerstören.


Denn unser Verständnis vom 1. Mai ist ein anderes. Wir suchen nicht nach der viel beschworenen „Arbeiterklasse“ oder bei den etwas progressiveren „Arbeiter*innenklasse“. Denn sie alle eint das positive Verständnis von Arbeit. Doch wer kann, ohne Zynismus im Herzen wirklich behaupten, sich mit seiner Arbeit zu identifizieren. Arbeiter*in sein ist nichts, worauf wir stolz sein könnten. Denn gefällt es uns wirklich unsere begrenzte Zeit auf der Erde zu verkaufen, in manchen Ländern eine Stunde für den Betrag einer Packung Kaugummi hierzulande? Nur um uns etwas anderes zu kaufen, was wir angeblich brauchen, welches auch wieder von jemandem mit seiner Lebenszeit produziert wurde? Lohnarbeit ist und bleibt Mord. Jene, die versuchen uns das anders zu verkaufen sind nichts als Feind*innen des Lebens.

Heute, an diesem 1. Mai, verstehen wir uns wie an jedem anderen Tag als Teil aller Unterdrückten dieser Welt, die ihre Wut auf verschiedene Weise artikulieren. Das einzige wir, das wir kennen, ist das wir der Ausgebeuteten. Von außen analysieren und über andere sprechen liegt uns nicht. Auch wir sind Teil dieser Gesellschaft, die wir in Teilen zutiefst ablehnen. Doch ist es ein innerer Konflikt. Denn uns bewegt die eigene Befreiung, welche uns immer wieder auf die Straßen und in die Nächte treibt. Jede*r kann sich nur selbst befreien.


Deshalb können wir keine Heilsversprechen vom Garten Eden wie die anderen geben. Das Bild, das wir von einer anderen Welt malen, wandelt sich mit jedem Moment, der vergeht. Es ist eine Idee, ein Traum von Freiheit, zu dem wir euch einladen wollen, gemeinsam zu träumen. Eine Welt, in der wir nicht mehr länger hassen müssen. In der niemand über noch unter uns steht. In der wir uns auf Augenhöhe begegnen und kennenlernen können. Ein Ende der Ausbeutung von Mensch und Natur durch den kapitalistischen Normalzustand. Lasst uns gemeinsam an diesem Bild malen, wo wir Gemeinsamkeiten finden und eigene Bilder malen, wo sich Wege trennen. In harten Zeiten lasst uns halt aneinander finden statt in den Erlösungsgedanken autoritärer Prediger*innen.


Der Widerstand gegen diese Welt der Herrschaft wird kein Spaß, er wird nicht sicher und nicht schön sein. Wir werden immer wieder verlieren, aber daraus gilt es zu lernen und es wieder zu versuchen und beim nächsten Mal besser zu verlieren. Der Widerstand hat viel mehr Gesichter als nur den schwarz vermummten Träumer mit dem Pflasterstein.

Uns treibt heute nicht nur der Hass auf dieses System auf die Straße, sondern auch die Liebe zu all unseren Gefährt*innen hier und auf der ganzen Welt, die jeden Tag aufs neue versuchen Steine aus den Mauern der Autoritäten zu brechen.

Für einen rebellelischen 1. Mai.
Es lebe die Anarchie.

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Anarchie, Antirepression veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.