Redebeitrag: 5 Jahre March of Hope

5 Jahre ist es nun her, dass Menschen im großen und organisierten Stil nach Europa geflohen sind. 5 Jahre, in denen man beobachten konnte, wie unsere Gesellschaft funktioniert, wenn sie ein solches Ereignis ins Auge fassen muss. Auf der einen Seite gab es Menschen, die, wie hier im Solizentrum, Tag und Nacht gearbeitet haben, um Geflüchteten ein freieres Leben zu ermöglichen. Doch auf der anderen Seite hat diese sog. „Krise“ es geschafft, viele Fassaden einzureißen und uns vor Augen zu führen, wie ein neoliberaler und trotzdem repressiver Staatsapparat und eine Gesellschaft, die nach diesem System funktioniert, Menschen in wirklicher Not betrachtet.

Diejenigen Menschen, die auf Grund von miserablen Zuständen in ihren Heimatländern fliehen, landen bei uns in einem System, das sie im besten Fall nicht mehr aktiv verfolgt und ermordet. Im schlechtesten und zugleich häufigsten Fall landen sie jedoch in einem System, dessen Arbeitsmarkt sie auf ihren produktiven Mehrwert reduziert; Dessen autoritärer Staat sie kriminalisiert dessen Oberschicht sie kritisch beäugt, in der „Angst“, dass Geflüchtete einem den Wohlstand kosten könnten. Hinzu kommen unsere wachsenden nationalkonservativen und faschistoiden Bewegungen, die dafür sorgen, dass Geflüchtete auch hier Angst um ihre körperliche Unversehrtheit haben müssen.

Doch das Problem liegt auch an der oberen Mittelschicht, die mit Begeisterung „Refugees Welcome“ auf Social Media posten kann, jedoch keinerlei Bereitschaft zeigt, sich auf einer Augenhöhe mit Geflüchteten zu solidarisieren, sodass man gemeinsam jene bestehenden Systeme attackieren könnte, welche die Lage von Geflüchteten vor Ort erst so schlimm machen.

Wie soll ein Geflüchteter*eine Geflüchtete sich überhaupt konstruktiv in eine Gesellschaft integrieren, die sie*ihn entweder entmenschlicht oder in die angeblich unfähige Opferrolle drängt. Entweder wir sprechen Geflüchteten durch Sätze wie „Die könnten ja in ihren eigenen Ländern bleiben und sie verteidigen“ zu viel Verantwortung zu oder wir sprechen ihnen ihre Verantwortung ab, in dem wir ihren Erfahrungen und Aussagen keine Glaubwürdigkeit schenken.

Dazu kommt auch, dass wir gerne mit dem Finger auf Probleme wie islamisch motivierten Sexismus und Antisemitismus zeigen und dabei vergessen, dass wir dadurch nur unser eigenes Problem mit solchem Gedankengut auf rassistische Weise anfeuern. Indem wir Geflüchtete systematisch ausgrenzen, schaffen wir die perfekten Bedingungen für religiösen Fanatismus und Radikalisierung. Und jenes Gedankengut, das überhaupt erst zu Zuständen führt, wegen derer man flieht, sorgt in den europäischen Ländern dafür, dass sich die Gesellschaft nicht solidarisch genug zeigt. Obwohl wir uns ja gerne als „fortschrittlicher“ darstellen, als die Kulturen der Geflüchteten, präsentieren wir uns dank nationalistischer Bewegungen genauso autoritär wie ein Assad-Regime oder der türkische Staat.

Deshalb lasst uns nun endlich nach 5 Jahren aufhören, Geflüchtete wie unfähige Kleinkinder oder unmenschliche Kriminelle zu behandeln. Lasst uns aufhören, Bewegungen wie die AfD als ein alleinstehendes Problem abzutun und sie nicht als Symptom eines im Kern destruktiven Systems zu erkennen.

Eine langfristige Besserung der Situation erreichen wir nur, wenn wir uns Seite an Seite mit Geflüchteten stellen und gemeinsam den Kampf gegen unsere gemeinsamen Probleme kämpfen. Den Kampf gegen Diskriminierung, religiösen Fanatismus, Nationalismus, Kapitalismus und autoritäre Staats- und Gesellschaftsstrukturen. Für ein freies Leben für alle!

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